Nach längerer Pause spüre ich nun wieder einmal den Drang, hier zu aktuellen Rallye-Ereignissen Einschätzungen abzugeben. "Rein persönliche" natürlich, aber vielleicht ist doch ein bißchen was dran.
Zufällig ist heute der offizielle Advent-Beginn. Tut eigentlich nichts zur Sache, aber "Advent" bedeutet ja so viel wie "Ankunft". Sagt man. Gleichzeitig denke ich an ein nicht weit zurückliegendes Rallye-Ereignis, das irgendwie sehr stark den momentanen Zustand der Profi-Rallye-Ebene schlechthin, der Rallye-Weltmeisterschaft, repräsentiert.
Bestimmt haben Einige von uns hier die Central European Rallye angesehen. Oder ein paar grundlegende Dinge aus Medien erfahren. Eigentlich ja eine tolle Sache, die hier vorgeführt wurde. Ein Auftritt der Rallye-Elite in drei verschiedenen Ländern, auch Österreich (für mich als Landsmann irgendwie besonders erhellend), drei Nationen mit unterschiedlichem kulturellem Background an einem gemeinsamen Großprojekt beteiligt: Erst einmal ganz super.
Und dann: Schaut man dann die Liste der Gestarteten an, so wird es jäh ganz lau. 43 Wagen im Bewerb, und das bei einer Rallye, die drei Länder als Schauplatz tangiert, sind schlicht und ergreifend alles Andere als ein leuchtendes Erfolgs-Signal. Vier Besetzungen aus Tschechien, immerhin sechs noch aus Deutschland (auch ein aufstrebendes Mädchen-Team, das es zu einer relativ starken medialen Beachtung und Beliebtheit beim Publikum gebracht hat - immerhin ein stärkeres Highlight), und von Österreich? Überhaupt kein Mitbewerber unter den Sportlern. Irgendwie niederschmetternd.
Zum Vergleich: Es gab Zeiten, da gab es Beteiligungen durch österreichische Sportler sogar ziemlich am anderen Ende der Welt. Neuseeland, oder auch Australien. Irgendwie eine unlogische Entwicklung. Und ein weiterer Beweis, daß das Rallye World Championship (aus dem sich ja das Kürzel "WRC" ableitet) massiv auf dem absteigenden Ast ist.
Darauf weisen auch andere Dinge hin. Wobei die Stagnation schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten unübersehbar ist. Trotz (oder wegen?) der ach so Medien- und Marketing-gerechten Formate. Gebracht hat es rein auf den Sport bezogen gar nichts. Die Rallye-Kilometer sind weniger geworden. Die teilhabenden Werke aber nicht mehr. So wie insgesamt die Nennungen auch nicht. Ein großer Erfolg...?
Dieser Tage gab es auch Meldungen, daß Lancia wieder in den Rallyesport zurückkehren könnte. Nicht nur mit einem Rally4, sondern unter Umständen auch mit einem Rally1. Auch Massimo Biasion, der die Erfolgsgeschichte von Lancia im Rallyesport entscheidend mitgeprägt hat und der Marke unverändert verbunden ist, hat sich bereits geäußert. Und Voraussetzungen genannt, unter denen Lancia wohl wieder dabei wäre. Seine Botschaft: Die Kosten in der Königsklasse des Rallyesports müßten deutlich gesenkt werden, damit die Meisterschaft auch in Zukunft für die Hersteller attraktiv
bleibt. (ist sie es jetzt denn?) Die Ausgaben seien exorbitant, das wäre für Produzenten ungesund. Sein Richtwert wäre demnach wohl eine Reduzierung um die Hälfte.
Fragt sich natürlich dann, wie das geschafft werden soll. Die jetzigen Top-Rallyewagen, die sich rein technologisch eh schon auf einem Primitiv-Level bewegen, wo es kaum schon etwas Anderes als Einheitsteile mehr gibt und so gesehen die konstruktive Eigenständigkeit und dynamische Weiterentwicklung auf Stillstand gesetzt wurde und die Ausgaben trotzdem zu hoch geblieben sind, noch stärker auf Niedrigst-Standard setzen? Weil abgesehen vom Hybridantrieb, der wahrscheinlich eh bald wegfällt, und davon, daß der Materialaufwand wohl ein extrem hoher ist, signalisieren die heutigen Rallyefahrzeuge auch der Spitzen-Kategorie keine besondere technologische Raffinesse.
Ich habe den Eindruck, daß man bei den in der letzten Zeit erfolgten und auch für die Zukunft geplanten Maßnahmen, die Rallye-Weltmeisterschaft zu gestalten, größtenteils verzweifelt vor Symptomen davonläuft. Und nicht die Grundübel offensiv anpackt, und zwar dort, wo es am Meisten bringt: An den Wurzeln. Oder man tut halt so, als ob man sich um eine bestmögliche Stärkung des Sports bemühen würde. Weil Einem in Wahrheit mehr Konkurrenz und eine vielfältiger gegliederte Struktur des Sports eh nur lästig ist. Auch wenn die Langzeit-Perspektive dadurch eine bessere, solidere wäre.
Und dann gibt es noch ein anderes Faktum, das mich daran zweifeln läßt, daß die Verkürzungen der WM-Rallyes und der verstärkt forcierte Trend zu Einheitsteilen in der Technik, und Ähnliches, durch Notwendigkeiten motiviert, begründet sind. Denn in der letzten Zeit stelle ich fest, daß sehr wohl aktuell Rallyes laufen (RICHTIGE Rallyes; keine Gleichmäßigkeitsbewerbe und Tourenfahrten, die halt unter der Bezeichnung "Rallye" laufen), mit einer Streckenlänge (auch WP-Länge!), wo jede heutige WM-Rallye klein dagegen wirkt. Ich sage nur: Roger Albert Clark-Rally/550 km "Special Stages" (und Schotter noch dazu auch noch). Aber es geht auch noch mehr. Silver Fern Rally 2024, im fernen Neuseeland. Wie in alten Tagen werden da 900 WP-Kilometer befahren! Zwar auch mit älteren Fahrzeugen, aber immerhin. Zusätzlich ist dort ein Österreicher mitgefahren, mit einer deutschen Copilotin.
Ob das nicht vielleicht ein Hoffnungsträger sein könnte, daß zukünftig wieder eine Rallye-Star-Ebene heranwachsen könnte, die diesen Namen auch wirklich verdient? Mit nahezu Allem, was die klassischen Werte von Rallyes verstärkt betont? Und idealerweise Modernes mit Traditionellem kombiniert wird?
Für mich wäre das symbolisch für den ersten Advent. Vielleicht erleben wir auch Weihnachten. Bildlich gesprochen.
Den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen ist nicht zielführend. Denn der führt nach Unten.